Romanische Kunst in den Abruzzen:
Basilika U. L. Frau von Collemaggio
Die italienische Post hat am 10. Februar
einen ansprechenden Markenblock zu 0,60 €
ausgegeben, der auf der Briefmarke die
Fassade der romanischen Basilika Santa
Maria di Collemaggio in L’Aquila und auf
dem Block-Hintergrund das Hauptportal der
Kirche zeigt. Auch der Ersttagsstempel von
L’Aquila zeigt, wie allgemein in Italien
üblich, noch einmal das Motiv der
Briefmarke. Die Kirche, ein Meisterwerk romanischer
und gotischer Architektur, steht am Rand
der Stadt, am Ende einer großen mit Gras
bewachsenen Freifläche.
Im Jahr 1274 reiste ein Eremit aus Morrone,
Pietro, später Gründer des
Cölestinerordens, durch L’Aquila und
nächtigte auf einem nahe gelegenen Hügel,
dem Colle di Maggio (Maihügel); hier hatte
er einen Traum, in dem ihm die von Engeln
umgebene Jungfrau Maria auftrug, hier zu
ihrer Ehre ein Kirche zu bauen. 1287
kauften die Cölestiner das Land und
begannen im nächsten Jahr mit dem Bau; die
noch nicht vollendete Kirche wurde 1289
geweiht. Der Hügel, der der Kirche den
Namen gab, existiert nicht mehr, denn das
Tal zwischen ihm und der Stadt wurde im
Verlauf des 19. Jh. aufgefüllt. In den
1930er Jahren erfolgten weitere Arbeiten,
die den Zugang erleichtern sollten.
Am 29. August 1294 wurde Pietro von Morrone
hier als Cölestin V. zum Papst
gekrönt und erließ anlässlich dieses Akts
einen Generalablass von Sündenstrafen für
alle, die die Kirche am 28. und 28.
August
jeden Jahres besuchten, beichteten und
bereuten. Der Ablass von St. Cölestin
(italienisch Perdonanza di S. Celestino) wird weithin von Kirchenhistorikern
als unmittelbarer Vorläufer des Heiligen
Jubeljahrs angesehen, das nur 6 Jahre
später von Papst Bonifaz VIII. eingeführt
wurde. Die örtliche Feier zieht immer noch
jedes Jahr Tausende von Pilgern nach
L’Aquila. Eine Heilige Pforte, ähnlich der
in der Petersbasilika in Rom, wurde im 14.
Jh. in die Kirche eingefügt. Die Kirche
erfuhr im Lauf des Mittelalters weitere
Verschönerungen, wobei die Heiligsprechung
Cölestins 1313 und die Überführung seiner
Reliquien im Jahr 1327 weitere Anlässe
waren.
Auch bei dem starken Erdbeben, das
L’Aquila am 6. April 2009 heimsuchte,
wurde die Kirche in Mitleidenschaft
gezogen; neben Risse in den Wänden kam es
zum Einsturz des Dachs und der
Vierungskuppel, und auch das Papstgrab
wurde beschädigt.
Die elegante romanische Fassade erscheint
wie eine Wand, mit einem Mittelportal, das
im 15. Jh. reicher verziert wurde, sowie
zwei Seitenportalen. Jedes Portal besitzt
rundbogige Archivolten und hat darüber
eine Fensterrosette. Die Hauptdekoration
der Fassade besteht jedoch in der
Verwendung verschiedenfarbiger Steine, die
ein kreuzförmiges Dekor wie eine Tapete
bilden. Im übrigen hat diese Fassade
keinerlei Bekrönung oder Abschluss, und
auch der ehemalige Turm, der bei einem
früheren Erdbeben zerstört und abgetragen
wurde, ist jetzt ein Stumpf an der rechten
Seite der Fassade.
Die Rückseite der Kirche ist weit weniger
spektakulär, sie zeigt vielmehr ein
Konglomerat verschiedener Anbauten aus
mehreren Jahrhunderten, vornehmlich aus
der Zeit der Gotik.
Das Kircheninnere folgt dem herkömmlichen
Bauschema mit einem Mittelschiff und zwei
Seitenschiffen, die durch Säulenreihen
getrennt sind. Die Bögen tragen eine hohe
Decke aus Holz. Der Fußboden der Kirche
besteht aus den gleichen roten und weißen
Steinen wie die Fassade.
1972 wurde die Basilika einer
grundlegenden Restaurierung unterzogen,
bei der man zu dem ursprünglichen
romanischen Aussehen zurückkehrte und die
über die Jahrhunderte hinzugefügten Teile
beseitigte. Auch das Mobiliar der Kirche
wurde dabei zum ersten Mal vollständig
restauriert.
Das bedeutendste Denkmal der Kirche ist
das Papstgrab Cölestins V. im rechten
Seitenschiff in der Nähe des Chors. Es
wurde von einer Wollhandwerker-Gilde 1517
in Auftrag gegeben und von Girolamo da
Vicenza geschaffen; es enthält die
sterblichen Reste des Papstes in einem
Silberbehälter. Die gegenwärtige Urne
wurde am Ende des 2. Weltkriegs von einem
Goldschmied aus L’Aquila gefertigt,
nachdem die ursprüngliche Urne 1646 von
französischen Soldaten gestohlen wurde;
auch diese war schon ein Ersatz für die
erste 1530 von Prinzen von Oranien
entfernte Urne.
Das Kircheninnere ist nicht sehr stark
dekoriert, besitzt aber Fresken des 14.
und 15. Jh. von einem unbekannten
örtlichen Künstler, die das Leben der
Jungfrau Maria darstellen: Maria zwischen
den hll. Agnes und Apollonia, ein Heimgang
Mariens, eine Marienkrönung. Außerdem gibt
es eine Kreuzigung mit St. Julian (der in
L’Aquila besonders verehrt wird), eine
freskenbemalte Nische des frühen 16. Jh.
mit einer Madonna mit Kind und Heiligen
und schließlich vierzehn übergroße Gemälde
des 17. Jh. von Karl Ruther, einem Mönch
aus Danzig, die Episoden aus dem Leben des
hl. Cölestin darstellen.
Zu dem heiliggesprochenen Papst Cölestin
ist zu bemerken, dass er wohl seinem Amt
nicht gewachsen war und, von den
Kardinälen gedrängt, am 13.12.1294, also
weniger als ein halbes Jahr nach seiner
Krönung, abdankte. Bonifaz VIII. hielt ihn
nach einem Fluchtversuch in „lockerer
Haft“, bis er am 19.5.1296 verstarb. Seine
Heiligsprechung am 5.5.1313 durch den
Gegner Bonifaz‘, Clemens V. in Avignon,
war ein eher politischer Akt – so ist es
verständlich, dass er in jüngster Zeit aus
dem Festkalender gestrichen wurde,
Gerhard Teschner
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