St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem März-GABRIEL 2003

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Die Päpste und die Heiligen Jahre, Teil 13

Mit dem 22. Heiligen Jahr treten wir an die Schwelle des 20. Jahrhunderts, also eine Epoche, der die meisten von uns persönlich noch sehr nahe stehen. Zwischen dem Papst im Vatikan und der italienischen Regierung und dem Königtum hatte sich eine gewisse Form der Koexistenz etabliert, und der verlorene Kirchenstaat stand nicht mehr allein im Blickpunkt des Papsttums, zumal auf die Kirche andere Aufgaben zukamen. So hatte Papst Leo XIII. (Gioacchino Pecci, Papst 1873-1903) mit seiner Enzyklika „Rerum novarum“ 1891, in seinem 81. Lebensjahr, die Antwort der Kirche auf die sozialen Fragen der Arbeiter in der modernen Industriegesellschaft gegeben, wie insgesamt die industrielle Revolution der zweiten Hälfte des 19. Jh. die gesamte Gesellschaft grundsätzlich veränderte. „Rerum novarum“ betont einerseits, daß materielle Güter für die ewige Seligkeit bedeutungslos sind, daß aber andererseits Menschen nicht zur Erlangung des Gewinns anderer ausgebeutet werden dürfen.

Die Pilgerfahrt der Rompilger zum Heiligen Jahr 1900 fand zum ersten Mal in großem Stil mit den modernen Mitteln der Eisenbahn oder, aus Übersee, des Dampfschiffs statt; selbst das Automobil war schon „erfunden“ worden, auch wenn es noch nicht das Verkehrsmittel der Massen war. In Rom selbst konnten sich die Pilger mit der Straßenbahn zwischen den einzelnen Basiliken fortbewegen.

Zum kirchenpolitischen oder politischen Stillhalteabkommen zwischen der italienischen Regierung und der Kirche gehörte die Auflage, daß sich die Katholiken nur in den Kirchen, nicht aber in der Öffentlichkeit versammeln durften, daß aber auch andererseits antiklerikale Veranstaltungen von der Regierung untersagt wurden.

Neue Pilgerhospize, wie das Hospiz S. Marta im Vatikan, neue Kirchen wie S. Anselmo erwarteten die Rompilger. Der Papst unternahm einen bemerkenswerten ökumenischen Vorstoß mit der Einladung nichtkatholischer Kirchen zur Feier des Jubeljahres, allerdings ohne ein offizielles positives Echo. Dies war wiederum verständlich, da aus der Sicht des Papstes eine Einigung aller Christen nur unter dem Mantel der römisch-katholischen Kirche anzustreben war.

Die seit 1825 geschlossene Heilige Pforte von St. Peter wurde am Heiligabend 1899 unter dem „Jubilate“ von Palestrina geöffnet. Im Lauf des Heiligen Jahres wurde die deutsche Ordensfrau Crescentia von Kaufbeuren seliggesprochen. Aber auch ein tragisches politisches Ereignis, nämlich die Ermordung des italienischen Königs Umberto I. am 29. Juli 1900, trübte das Geschehen, zumal dadurch auch erneut das Verhältnis Kirche-Staat in Italien belastet wurde, da der Papst sich weigerte, offiziell durch Schreiben sein Beileid zum Tod Umbertos zu bekunden und ebenso nicht den neuen König Viktor Emmanuel III. zum Regierungsantritt zu beglückwünschen. Wenn auch aus unserer heutigen Sicht ein solches Verhalten zumindest befremdlich erscheint, so sollte man es doch  – wie korrekte Historiker es tun (sollten) – im Lichte der damaligen Verhältnisse bewerten.

Oskar Köhler schreibt über diesen Papst: „Leo ist nach Pius IX. ... und vor seinem Nachfolger Pius X. ... derjenige Papst, der die katholische Kirche in die aus der industriellen Revolution hervorgegangene Welt hineingeführt und den Versuch unternommen hat, die unverkürzte Überlieferung mit dem modernen Geist zu versöhnen“ (Lexikon der Päpste und des Papsttums, Sp. 239).

GJT

Stand: 20.04.2006        © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.