Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler
Kirchen mit ihrem unschätzbaren Reichtum an Architektur und Bausubstanz prägen seit
Jahrhunderten das Bild unserer Städte und Dörfer. Neben den berühmten und allgemein bekannten Domen und Großen Kirchen existiert eine Vielzahl von kleinen Dorfkirchen, die auf Grund ihres Alters und ihrer Schönheit einmalige Zeugnisse von architektonischer Gestaltung und handwerklichem Können sind. Kirchen sind auch Zeugen unseres christlichen Glaubens. In Ostdeutschland konnten nach den Kriegsjahren durch die kirchenfeindliche Politik der DDR-Regierung unbedingt notwendige
Maßnahmen zur Erhaltung dieser Bauwerke nicht immer im erforderlichen Umfang durchgeführt werden. Baugenehmigungen und Materialzuweisungen wurden verwehrt, provisorische Reparaturen ersetzten grundlegende und sachgerechte Sanierungen. Eine Ausnahme bildete der Berliner Dom. Er wurde in den 80er Jahren
instand gesetzt, weil die evangelische Kirche in Deutschland (West) die Mittel
dafür bereitstellte. Das war aus devisenwirtschaftlichen Gründen für die DDR interessant. Auch andere große Kirchen wurden restauriert, um der internationalen Reputation der DDR nicht zu schaden. Allerdings wurden auch zwei intakte Kirchen in Leipzig und Berlin gesprengt, weil sie der Stadtplanung im Wege waren.
Im Wesentlichen geht es also um die vielen Dorfkirchen, die z.T. vom Verfall bedroht
sind. Die Kirchengemeinden sind zu klein, um heute die finanziellen Lasten allein tragen zu können. Einmalige Kulturschätze drohen unwiederbringlich verloren zu gehen, wodurch Städte und Dörfer ihres
Mittelpunktes beraubt und in gesichtslose und geschichtslose Orte verwandelt würden. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzministerium Barbara Hendricks sagte
bei der Präsentation der Marke (Deutschland Mi 2199) in Neuzelle (ehemaliges Kloster mit sehenswerter Klosterkirche südlich von Frankfurt/Oder), der Erhalt kirchlicher
Baudenkmäler sei längst nicht nur eine Aufgabe der Kirchen. Es gehöre zur Verantwortung einer jeden Generation, die Zukunft des unersetzlichen Kulturerbes, das in Kirchenbauten stecke, zu sichern. Dies klingt
sehr positiv, ist aber gewiss auch eine Folge der Verweltlichung unserer Gesellschaft.
Es ist von daher zu begrüßen,
dass der Bevollmächtigte des Rates der
Evangelischen Kirche bei der Bundesregierung und das Kommissariat der Deutschen Bischöfe (Katholisches Büro) in Berlin gemeinsam den Vorschlag für
diese Briefmarke unterbreitet haben und
dass ihn das Bundesfinanzministerium angenommen und verwirklicht hat. Die Marke zeigt einen Ausschnitt aus der
Dorfkirche des südost-mecklenburgischen Dorfes Canzow, zur Gemeinde Woldegk gehörend. Diese evangelische Kirche wurde 1893 eingeweiht, ist im neugotischen
Stil errichtet und steht an der Stelle der alten Dorfkirche. Sie ist sehr verfallen, besonders der Putz fehlt weitgehend, so
dass das Mauerwerk der Witterung
ausgesetzt ist. Es ist zwar gelungen, den weiteren Verfall aufzuhalten, aber um sie ganz instand zu setzen, ist noch viel zu tun. In der rechten unteren Ecke der Marke
und auf dem Ersttagsstempel sieht man das Logo "Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler". Der Entwurf stammt von Helene Geißelbrecht aus Hannover und gehört zu den schönsten Entwürfen zu dieser Marke, was " wie wir wissen " nicht immer der Fall ist.
Allein in Mecklenburg und Vorpommern besteht bei 350 der mehr als 1100
Dorfkirchen akuter Sanierungsbedarf in Höhe von über 600 Millionen DM. Danach können wir uns ausmalen, was dies für alle neuen Bundesländer bedeutet. Da wäre
ein Zuschlag zum Porto nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Allerdings kann ein solcher auch gelegentlich sinnvoll sein.
Eine ganz andere Art der Bewahrung eines kirchlichen Baudenkmals hat sich in diesen Tagen in Thüringen abgespielt. Daran hatte der Programmbeirat des
Bundesfinanzministeriums bestimmt nicht gedacht. In Volkenroda, einem kleinen Ort zwischen Mühlhausen und Sondershausen, wurde am 18.8.2001 der
Christuspavillon von der EXPO 2000 in Hannover feierlich wieder eröffnet. Unter dem Glockengeläut der Klosterkirche zogen tausend Gäste, unter ihnen 11 Bischöfe beider Konfessionen und die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und
Thüringen, in die Kirche und anderen Gebäude ein, wo der Gottesdienst stattfand bzw. übertragen wurde.
Zur Geschichte: Zisterziensermönche gewannen im Unstruttal fruchtbares Ackerland und errichteten 1131 das Kloster Volkenroda, dessen Kirche 1150 durch
den Erzbischof von Mainz geweiht wurde. Von hier wurden Tochterklöster in Waldsassen, Reiffenstein, Loccum und Dobrilugk gegründet. Während des
Bauernkriegs 1525 wird das reich gewordene Kloster zerstört, die Gebäude verfallen. 1968 wird die Klosterkirche, bis dahin von der evangelischen Gemeinde
genutzt, wegen Baufälligkeit geschlossen. Volkenroda sollte "abgesiedelt" werden. 1990 wird das Kloster wieder entdeckt und durch Privatinitiative und staatliche
Denkmalpflege wieder aufgebaut. 1994 wird die ”ökumenisch orientierte Jesus-Bruderschaft Gnadenthal (Hessen) für das Kloster Volkenroda
verantwortlich. Eine Kommunität aus Familien und zölibatären Männern bildet sich. Es entsteht ein Ort der geistlichen Einkehr, des gemeinsamen Lebens, Arbeitens
und Lernens und damit ein Hoffnungszeichen für Menschen im Dorf und in der Region. 1999 ist die Sanierung der Klosteranlage weitgehend abgeschlossen, und
es entwickelt sich das Vorhaben, Dorf und Kloster in die EXPO 2000 einzubeziehen. Das gelingt im Rahmen eines Bund-Länder-Vorhabens als eines
von 12 Dörfern. 25.000 Besucher kamen im Jahr 2000 nach Volkenroda. Nach der Weltausstellung sollte der Christuspavillon, das Gemeinschaftsprojekt der
Evangelischen und Katholischen Kirche auf der EXPO, in Volkenroda wieder aufgebaut und dauerhaft genutzt werden. 2000 Einzelteile aus Stahl und Glas mit
einem Gesamtgewicht von 800 Tonnen wurden von Hannover nach Volkenroda transportiert und hier wieder aufgebaut. 9,7 Millionen DM wurden hierfür aufgewendet. Mit Segenswünschen und Widmungen brachten die Bischöfe ihre Freude
über diese sinnvolle Nutzung des EXPO-Gebäudes zum Ausdruck. Der 8.
Psalm wurde gebetet: "Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen..." Die Ministerpräsidenten Gabriel und Vogel würdigten mit Grußworten
das bedeutende Ereignis für die Kirche und die Region, wobei Letzterer auf die
Verdienste des hl. Bernhard von Clairvaux hinwies. Die feierliche Wiedereröffnung und die Veranstaltungen am 18.8.2001 waren sehr eindrucksvoll. Ein Besuch in Volkenroda ist in jedem Fall zu empfehlen.
Philatelistisch ist Volkenroda nur auf einem Umweg zu belegen. Mit seinen 198 Einwohnern ist es keine eigene Gemeinde. Es gehört zu Körner, und das ist der Ort
in Deutschland mit der höchsten Postleitzahl: "99998". Am 9.9.1999 bekam es für einen Tag die Postleitzahl "99999". Es gab auch einen Sonderstempel für diesen
besonderen Tag. Das Ehepaar Schwarz hat sich hierum sehr bemüht und Belege mit diesem Stempel auf der Jahresversammlung der Gilde 1999 in München angeboten.
Jan-Derk Aengeneyndt
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